Jana Dettmer malt mit satten Acrylfarben auf Leinwand. Die Werkspur der Rakel, mit denen sie Farbe bevorzug aufträgt, bleibt im fertigen Bild erkennbar und betont die haptische Qualität ihrer nicht gegenständlichen Bilder. In neueren Arbeiten schüttet sie lose Pigmente auf die liegende Leinwand, die kaum gebunden dort als matte, samtweich wirkende Oberflächen haften bleiben. Die von der Künstlerin gewählte kühle Farbpalette mit hoher Leuchtkraft und Intensität ist im Ausdruck pointiert. Hier wird nicht ergebnisoffen experimentiert oder im reinen Farbrausch geschwelgt. Jana Dettmer ziel darauf ab, zur elementaren Substanz bestimmter Töne vorzudringen, ihrer spezifischen Energie. Ihre Arbeiten sind gattungsmäßig einzuordnen als Farbmalerei, ein Genre, das sich der Farbe nicht nur allgemein als Darstellungsmittel bedient, sondern sie zum Darstellungsgegenstand wählt, ihre besonderen Qualitäten erforscht und zur Wirkung bringen möchte. Dettmers Oeuvre zählt speziell zur Farbfeldmalerei, teils in Form der Monochromie, zu deren Charakteristika der Fokus auf die materiellen, physischen Aspekte der Farberscheinung gehört.
Ihr Signatur-Format ist das Quadrat: ein kompaktes, machtvolles Statement, dem als Ausdruckswert gedanklich stets der Kreis, die perfekte, harmonische Form ohne Anfang und Ende, oben oder unten eingeschrieben ist. Bei mehrteiligen Werken entscheidet sie sich oft für eine nahezu abstandslose Hängung, so dass eine sich im Raum stark behauptende Fläche aus mehreren aufeinander bezogenen Feldern entsteht.
Jede Leinwand Dettmers kann gesehen werden als ein Farb- oder Lichtraum im Sinne eines energetisch aufgeladenen Settings, in das Betrachtende mit ihrem Blick eintauchen, sich mental versenken können, um so die Wirkkraft der jeweiligen Farben physisch zu erspüren und psychisch zu erfahren. Das Kunsterlebnis variiert je nach Farbnuancen und individuellen Vorerfahrungen der Rezipient:innen. Mögliche Sensationen sind ein Eintauchen ins Bodenlose (Entlastung und Entspannung ins dunkelblau-grüne Wasser, Abgeben von Gewicht nach unten), ein Aufstieg in den offenen Himmel (Erleichterung, Befreiung in den hellblauen Äther nach oben) oder im roten Farbspektrum magnetische Anziehung durch reine Energie (horizontale Kraft, Umschließung und Stärkung durch Wärme und Licht).
Im Falle mancher Bild-Räume ist ihre Umgrenzung noch wie eine zu übertretende Schwelle dunkler abgesetzt und sichtbar. Bei anderen fällt die Darstellung dieser Schwelle fort - die Betrachtenden sind bereits einen Schritt näher und so in die Tiefe des idealen Farbraums hineingetreten.
Dieser Perspektivwechsel führt heraus aus der realen Welt mit ihren vielfältigen Anforderungen und daraus resultierenden inneren und äußeren Konflikten, hinein in ein ideales künstlerisches Konstrukt. Dettmers Werke offerieren mittels Reduktion und Verdichtung einen Moment der Klarheit und Intensität: faszinierend, entlastend, befreiend, stärkend, für manch eine:n vielleicht durch die Absage an gegenständliche Darstellung ambivalent berührend und daher herausfordernd.
Rückzugs-, Besinnungsräume für den unruhigen Geist des permanent in komplexe Prozesse und äußere Zwänge eingebundenen modernen Menschen sind vielleicht genau das, was sich die Künstlerin selbst wünscht und wonach sie sucht. Hier liegt womöglich ihre tiefere Motivation, mit ihren Kunstwerken Räume zu schaffen und anzubieten, in denen Menschen in Verbindung zu ihren tieferen Bedürfnissen treten können.
©Sabine Klement
Köln, 04.11.22